Erfahrungsbericht

Della Bii-Mai: Ich komme aus dem englischsprachigen Teil Kameruns, genauer gesagt aus Bamenda. Es ist die Hauptstadt der nordwestlichen Region. Ich habe an der Universität Buea, Women’s Studies (Frauenforschung) und Jura studiert. Es ist ein Doppeldiplom-Studium, das ich 2013 mit dem Bachelor of Science abgeschlossen habe. Danach arbeitete ich am Empfang eines Sprachzentrums. Dann habe ich mich für die Organisation Rescue Women Cameroon engagiert und bin kurz danach zur kommunalen Initiative für nachhaltige Entwicklung (COMINSUD: Community Initiative for Sustainable Development) gewechselt. Über COMINSUD kam ich dann zum weltwärts-Programm und jetzt bin ich hier!

Della Bii-Mai: Viele Leute bei mir zu Hause in Kamerun glauben, dass ich jetzt viel Geld bekomme. Sie haben zu mir gesagt: „Du bist jetzt eine gemachte Frau! Du bist ein reiches Mädchen!“ Ich versuche es zu erklären, aber alle sagen: „Vergiss es, du kannst es nicht leugnen!“ Es war auch auf meiner Facebook-Seite, also haben meine Freunde und meine Familie es gesehen. Meine Familie und einige meiner Freunde, die verstehen, was das bedeutet, denken, dass es eine großartige Chance ist, mein Freiwilligenjahr zu beginnen.

Della Bii-Mai: Um ehrlich zu sein, hatte ich nur sehr wenig über Deutschland gehört. Ein paar Freunde von mir haben mir von ihren Erfahrungen berichtet und dann hatte ich noch Vorbereitungsseminare für meinen Aufenthalt in Deutschland. Ich hatte bislang nicht viel Wissen über das deutsche Volk oder die deutsche Kultur. Ich hätte wirklich niemals daran gedacht, eines Tages nach Deutschland zu reisen. Ich habe zwar überlegt zu reisen, aber Deutschland stand nicht im Mittelpunkt. Ein bisschen wusste ich über Deutschland aus der kamerunischen Geschichte, denn die Deutschen waren ja die ersten Kolonialherren in Kamerun.

Della Bii-Mai: Ja, ich hatte wirklich Angst davor, wo ich wohnen würde, weil ich den größten Teil meines Lebens bei meiner Familie gewohnt habe. Mir wurde dann klar, dass ich bei fremden Leuten wohnen muss, wahrscheinlich bei Deutschen und nicht mal Verwandte oder Bekannte von mir. Das sind ganz andere Menschen und man weiß natürlich nicht, wie es sein wird. Wird es gut sein oder wird es schlecht sein. Das war meine größte Sorge - nicht die Sprache.

Della Bii-Mai: Als ich bei der Stiftung anfing, habe ich erstmal viel recherchiert und versucht, die Projekte und die Art und Weise wie hier gearbeitet wird, zu verstehen. Ich muss auch alles erst einmal übersetzen, denn mein Deutsch ist immer noch sehr schlecht (lacht). Im Moment arbeite ich an dem Projekt „Faire Smartphones”. Wir organisieren Workshops mit Jugendlichen, um über Smartphones, ihre Herkunft, Produktion und Rohstoffquellen sowie die Probleme, die im Zusammenhang mit der Entsorgung von Smartphones entstehen, zu sprechen. Ich unterstütze die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Projekts und sie versuchen herauszufinden, wie wir einige Aspekte in Englisch für mich entwickeln können, so dass ich mich stärker einbringen kann. Außerdem gibt es noch eine Projektidee, an der ich gerade arbeite, die von dem ehemaligen Freiwilligen begonnen wurde, der vor mir bei der Stiftung war.

Della Bii-Mai: Es geht darum, kamerunische und deutsche Journalisten zusammenzubringen und über das Nachhaltigkeitsziel 16 zu diskutieren. Dieses Ziel steht für Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen. Es handelt sich um eine Workshop-Idee, die wir in Kamerun und auch in Deutschland zusammen durchführen wollen. Es ist eine Idee des ehemaligen Freiwilligen, der hier bei der Stiftung Partnerschaft mit Afrika vor mir war. Er kam auch aus Kamerun und fing an, daran zu arbeiten. Ich entwickle diese Idee gerade etwas weiter, aber momentan ist es nur eine Projektidee.

Della Bii-Mai: Ja, fast - zu etwa 60 Prozent. Aber ich fühle mich mittlerweile schon viel wohler als am Anfang im August, als ich gerade angekommen war. Also es wird besser.

Della Bii-Mai: An die Sprache. Ich habe bereits sechs Wochen lang einen Intensivkurs gemacht, bevor ich hier angefangen habe. Vielleicht muss ich noch bis zum A2-Level weitermachen. Niemand erwartet von mir, dass ich perfekt Deutsch spreche, aber ich finde es einfach wichtig, dass ich mich auf Deutsch verständigen kann. Im Moment muss ich nämlich immer wieder fragen: „Sprechen Sie Englisch?“ Das ist wirklich nervig. Ich fühle mich nicht wohl dabei, das die ganze Zeit zu tun. Ich finde, wenn man sich in einer neuen Umgebung befindet, ist es immer gut, sich anzupassen, auch wenn es nicht für immer ist.

Della Bii-Mai: Ich habe noch nicht wieder angefangen, weil es für mich schwer war, einen Kurs zu finden, aber seit Kurzem gibt es an der Universität neue Kurse. Ich war dort und es besteht die Möglichkeit, dass ich bald mit einem neuen Kurs anfangen kann.

Della Bii-Mai: Wichtig ist mir, dazu zu gehören und in der Lage zu sein mich in dieses neue kulturelle Umfeld – hinsichtlich Sprache, Wetter, Arbeitsleben und Alltag – einzufügen. Und ich würde gerne ein paar neue Freunde finden...

Della Bii-Mai: Da ich vorher mit Freunden gesprochen hatte, die bereits ein Freiwilligenjahr in Deutschland gemacht hatten, war ich nicht so festgelegt in meinen Vorstellungen über Deutschland. Ich bin froh, dass ich nicht so viele stereotype Bilder über das Land und die Menschen im Kopf hatte. Ich war einfach offen. Daher hatte ich auch keinen Kulturschock, ich war nur etwas erstaunt, wieviel Brot die Deutschen essen (lacht). Aber das ist in Ordnung. Langsam gewöhne ich mich daran!

Della Bii-Mai: Bei der Arbeit zum Beispiel ist es ein bisschen anders mit der Hierarchie in Kamerun im Vergleich zu Deutschland. Die Art wie Kollegen miteinander umgehen, ist wirklich anders hier als in Kamerun. Wenn man in eine typisch kamerunische Organisation hineinkommt, merkt man zum Beispiel sofort, wer der Chef ist – vielleicht von der Art, wie er auftritt und sich verhält. Aber hier bei der Stiftung Partnerschaft mit Afrika ist es wirklich anders, weil man kaum merkt, wer der Chef ist. Wir haben ein gemeinsames Büro und jeder hat nur seinen Schreibtisch. Wir essen zusammen zu Mittag und alles ist fast auf dem gleichen Level. Ich finde das schon interessant. Außerdem sind die Kameruner aus meinem Teil der Region sehr offen. Morgens auf dem Weg zur Arbeit grüße ich fast alle Leute unterwegs. Ich steige ins Taxi und wir unterhalten uns. So leben wir eben. Es ist eher ein Leben in Gemeinschaft. Aber hier? Nein… Die Leute hier grenzen sich eher ab. Die Straßenbahn ist manchmal so ruhig, keine redet und man setzt sich einfach auf seinem Platz und braucht nicht einmal „Hallo“ zu den Mitfahrern zu sagen. So macht man das hier. Aber wenn man das in Kamerun machen würde, kommt das nicht gut an. Die Deutschen sind aber auch sehr hilfsbereit. Als ich zum Beispiel mit der Karte gekämpft habe und den Weg nicht kannte, kam jemand einfach auf mich zu und fragte: „Ist alles okay?“ Und selbst diejenigen, die nicht so gut Englisch sprechen, versuchen immer noch, etwas zu erklären, nur um einem zu helfen.

Della Bii-Mai: Ich finde es lustig, dass man vielleicht die einzige schwarze Person inmitten so vieler weißer Menschen ist und es sie nicht wirklich interessiert, etwas über die Person zu erfahren oder woher man kommt. Ein Weißer in Kamerun ist sofort jedermanns Freund. Denn wir wollen unbedingt wissen, woher er kommt. Wir haben viele Mythen über Europa und die Weißen im Kopf, deswegen wollen wir mit ihnen sprechen, um mehr darüber zu erfahren. Bei COMINSUD hatte ich einen Kollegen aus Belgien, er war sechs Monate lang für ein Praktikum bei uns und er hat viele Freunde gefunden, einfach weil die Leute so neugierig sind! Er hat erzählt, dass er nicht einmal sein Taxi bezahlen müsste, denn jedes Mal wenn er auf die Straße geht, rufen die Taxifahrer, die ihn schon kennen: „Steig ein, steig ein!“ Und er zahlt nichts! Wenn er dann an der nächsten Kreuzung aus dem Taxi steigt, kommen Bekannte und rufen: „Hey, Mann, komm, lass uns ein Bier trinken! Komm, lass uns reden!“

Della Bii-Mai: Natürlich vermisse ich meine Familie und meine Freunde. Ich vermisse das Essen, ein typisches hausgemachtes Essen. Im Moment ist es etwas schwierig für mich, weil wir aktuell in meiner Region eine politische Krise haben. Sie dauert schon einige Zeit jetzt an. Als ich nach Deutschland geflogen bin, hatte es bereits angefangen. Es geht jetzt schon seit mehr als einem Jahr so und es wird immer schlimmer.

Della Bii-Mai: Zunächst war es keine politische Krise, aber jetzt ist es politisch. Es fing als kleiner Streik von Anwälten und Lehrern an. Die Anwälte und Lehrer in der englischsprachigen Region Kameruns beklagten sich über das politische System und die Marginalisierung. Sie forderten die Regierung auf, die Zustände in der englischsprachigen Region zu verbessern. Aber die Regierung reagierte nicht rechtzeitig und es wurde noch schlimmer. Die Schulen sind nun schon seit mehr als einem Jahr geschlossen. Niemand geht zur Schule. Mittlerweile gibt es eine Bewegung, die neu entstanden ist – eine Unabhängigkeitsbewegung.

Della Bii-Mai: Im Moment ist es wirklich schwierig. Seit dem ersten Oktober gab es wieder Probleme mit dem Internet. Wenn ich mit meiner Familie kommunizieren will, muss ich sie auf Festnetz anrufen oder sie müssen mich hier anrufen. Es ist wirklich verrückt.

Della Bii-Mai: Ich habe zum Glück kein Familienmitglied verloren. Meine Mutter ist Lehrerin und wegen dem Streik ist sie seit mehr als einem Jahr arbeitslos.

Della Bii-Mai: Ich werde natürlich wieder zu COMINSUD zurückkehren und ich habe auch Pläne, wieder zu studieren, aber vielleicht nicht gleich nach meiner Rückkehr. Ich werde einen Weg finden.

Della Bii-Mai: Ja, natürlich. Ich werde es auf jeden Fall weiterempfehlen. Ich habe mich mit einem anderen Freiwilligen aus Kamerun unterhalten und wir teilen bislang unsere Erfahrungen und Einschätzung, dass das Programm wirklich etwas Großartiges ist. Die Art und Weise, wie ich die Dinge hier sehe und wie die Dinge gemacht werden, wie schnell ich meine Perspektive ändern konnte. Ich glaube, wenn ich nicht nach Deutschland gekommen wäre, wäre es nicht das Gleiche gewesen.

Della Bii-Mai: Vielleicht die Dauer, die 13 Monate - abgesehen davon, dass man vielleicht Heimweh bekommt, hat man sich erst nach etwa sechs Monaten eingelebt und dann muss man auch schon bald wieder zurück nach Hause. Also wäre es besser, wenn das Programm etwas länger dauern würde. Außerdem wäre es gut, wenn es zum Ende des Programms eine Unterstützung für die Freiwilligen geben könnte. Viele von ihnen kehren mit Erfahrungen und Ideen zurück, aber sie sind wieder in ihrem alten Leben und es ist genauso wie es vor dem Freiwilligenjahr war. Es könnte zum Beispiel eine Gruppe von Ehemaligen geben oder man schafft einen gemeinsamen Raum, in dem man sich immer daran erinnern kann, dass man hier war. Und dann kann man darüber sprechen, wie man diese Erfahrung nutzen kann, um etwas zu neues zu schaffen.